Den Jungen haben wir fertiggemacht
Tagebuchschreiber Goebbels über die Zerschlagung der Tschechoslowakei
Von Goebbels, Joseph
17. September 1938
Gestern: will Prag mobilisieren? Die deutsche Presse fragt kategorisch danach . . . Das wäre das Ende dieses drolligen Staates . . .
Mit Obersalzberg gesprochen: Gespräch Führer mit (dem britischen Premierminister Neville) Chamberlain ist sehr positiv verlaufen. Alle Krisenstoffe besprochen. Führer hat klare Vorschläge gemacht. Chamberlain wird sich in London beraten. Dann neue Besprechung, wahrscheinlich in Godesberg, evtl. unter Zuziehung von (dem französischen Ministerpräsidenten Edouard) Daladier. Jedenfalls ist noch nichts aufgegeben . . . Beschluß: im Kriegsfall werden die Rundfunkapparate plombiert . . .
18. September 1938
Gestern: Anruf vom Obersalzberg: ich muß sofort zum Führer herauf. Er will mich in diesen Tagen bei sich haben . . . Fahrt zum Teehaus oben auf dem Berge. Es liegt majestätisch mitten unter den Riesen . . . Zur Zerstreuung einen netten, lustigen, alten Film angeschaut. Der Führer mag jetzt keine ernsten Filme sehen. Das ist verständlich.
Ich habe dann noch eine lange Aussprache mit ihm: unsere Mobilmachung geht programmgemäß weiter . . . Am 25., 26. Spt. wird die Welt das Weitere sehen. Dann werden die Engländer schon etwas fixer nach einer Lösung suchen . . .
19. September 1938
Beim Führer. Der Gedanke des Plebiszits ist nun in Paris und London in der öffentlichen Meinung durchgesetzt. Aber Prag wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen. Eher Krieg! Na, die werden sich wundern . . . Wenn Krieg, dann lokalisiert. Wenn Weltkonflikt, ist Italiens Platz schon festgelegt . . . Der Führer erklärt wieder . . . Den halben Krieg haben wir schon gewonnen.
. . . London ist sehr schwach geworden. Von da ist ein ernsthafter Widerstand nicht mehr zu erwarten. Paris wird das tun, was London tut . . .
20. September 1938
Gestern: die Entscheidung fällt . . . Prag proklamiert noch einmal den Widerstand. Und dann bricht die gegnerische Front mit einem Schlag zusammen. In London einigen sich Paris und London auf Abtretung des deutschen Gebietes ohne Volksabstimmung . . .
Chamberlain möchte den Führer Mittwoch in Godesberg sehen. Angenommen! Prag ist noch frech und intransigent. Aber bloß, weil es noch nichts weiß . . . Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Vollkommene Schwenkung der Pariser und Londoner Presse. Alles ist wütend auf Prag. Wir stoßen noch einmal mit aller Macht vor. Was fällt, das soll man stoßen. (Der tschechoslowakische Staatspräsident Eduard) Benesch steht ganz allein. Ein tragikomisches Bild. Wir hören Gespräche zwischen ihm und seinem Gesandten in London (Jan) Masaryk. Verzweiflung ist hier das richtige Wort. Er sagt nur leise: Ja, ja! Wir bleiben ganz fest.
Der Führer zeichnet schon die Karte ein. Er wird bei Chamberlain ganz kategorische Forderungen erheben . . . Frage: wird Prag allein Widerstand leisten? Ich erkläre wieder in aller Form: Nein! Der Führer zweifelt noch. Jedenfalls gehen unsere Mobilmachungsmaßnahmen ruhig weiter . . .
Abends zeigt es sich dann, daß Prag nachgibt. Ich habe recht behalten. Der Führer ist ganz glücklich. Er schreit laut vor Triumph und Freude. Er hat einen Grand ohne Vier gespielt und gewonnen. Ein Sieg der Nerven. Aber noch ist es nicht so weit. Ich gehe lange mit dem Führer über die Terrasse auf und ab. Er ist wunderbar gelöst und befreit . . . Er schwärmt von der großen, großen Zukunft . . . Die Engländer merken jetzt, daß sie einen Gegenspieler haben. Und nun geht das alles wie am Schnürchen.
21. September 1938
In der Prager Presse allgemeine Panik. Benesch ist ganz zusammengeklappt. Den Jungen haben wir fertiggemacht. Er war und ist einer unserer niederträchtigsten Gegner. Gefährlich, gerieben, verlogen und intrigant . . .
Prag will annehmen, aber noch über die Modalitäten verhandeln. Die werden sich wundern! Der Führer wird Chamberlain seine Karte zeigen, und dann Schluß, basta! So allein kann man dieses Problem lösen. Benesch glaubt wohl mit parlamentarischen Taschenspielerkunststückchen noch etwas zu erreichen. Aber da ist er schief gewickelt . . .
22. September 1938
Morgens teilt Prag in London die bedingungslose Annahme der Londoner Vorschläge mit. Nun liegt es an uns. Sie müssen so weit wie irgend möglich ausgedehnt werden. Der Führer hält seine neue Karte von Mitteleuropa schon parat. Er wird sie in Godesberg auf den Tisch legen . . .
Der Führer wird Chamberlain ganz klare Forderungen vorlegen. Demarkationslinie wird von uns gezogen, möglichst weit. Befehl zur Räumung dieses Gebietes durch die Tschechen. Einmarsch der deutschen Wehrmacht. Alles binnen 8 Tagen. Eher sind wir nicht fertig mit unserem Aufmarsch. Streiten die Gegner die Rückgabe unserer Gebiete ab, dann im ganzen Gebiet Volksabstimmung. Muß bis Weihnachten erledigt sein.
Fällt Volksabstimmung gegen uns aus, wollen wir wieder räumen. Vorteil: wenn es zum bewaffneten Konflikt kommt, stehen wir hinter den Befestigungen und viel deutsches Blut wird geschont. Verlangt Chamberlain Frist zu weiteren Verhandlungen, dann fühlt der Führer sich an keine Abmachungen mehr gebunden und hat Handlungsfreiheit . . .
23. September 1938
Gestern: Ankunft in Godesberg: Der Führer ist guter Dinge. Stürmischer Empfang durch die Bevölkerung . . .
Um 4h nachmittags beginnt die Unterredung des Führers mit Chamberlain. Sie dauert bis abends nach 7h. Der Führer geht genau so vor, wie er beabsichtigte. Die Karte mit neuer Demarkationslinie erregt bei Chamberlain einiges Entsetzen. Aber er faßt sich dann schnell, als der Führer ihm erklärt, daß eine Grenze nach Anwendung von Gewalt strategischer Art sei und wesentlich anders aussehen würde. Unterdeß rollt unsere Mobilmachung weiter. Chamberlain ist zufrieden, daß wenigstens nicht sofort Gewalt angewendet wird.
Auf die Garantieforderung für die Rumpft(scheche)i geht der Führer garnicht ein . . . Auch Englands Garantierung ist nur eine ganz vage. "Bei einem _(* Hitler präsentiert dem britischen ) _(Premier eine Landkarte von Mitteleuropa, ) _(in die er den neuen Grenzverlauf ) _(zwischen Deutschland und der ) _(Tschechoslowakei eingezeichnet hat. ) nichtprovozierten Angriff." Das kennen wir! . . . Wir fahren abends noch auf einem Boot der Stadt Cöln etwas den Rhein herauf und genießen den lauen Abend . . .
24. September 1938
Gestern: Chamberlain kommt morgens nicht. Statt dessen schickt er einen Brief. Inhalt: er ist im großen Ganzen mit den Forderungen des Führers einverstanden. Er glaubt aber, den Tschechen nicht vorschlagen zu können, deutsche Truppen in die von ihnen zu räumenden Gebiete vorrücken zu lassen. Das sähe nach Gewalt aus. Die Ruhe und Ordnung soll von den Sudetendeutschen aufrechterhalten werden.
Wir sind uns gleich darüber klar, daß das ein fauler Trick des Herrn Benesch ist . . . Dem macht aber nun der Führer ein Ende. Er teilt Chamberlain mit, daß er auf seinen Vorschlag nicht eingehen könne, die Tschechen hätten garnicht die Absicht, ihr Wort zu halten, auf Versprechungen gebe er nichts . . .
Der Führer ist wütend und geht nun aufs Ganze. Die letzte Krise vor der Entscheidung. Die Engländer wollen wenigstens etwas mit nach Hause bringen. Sie pokern weiter, und werden bestimmt nachgeben, wenn sie auf harten Widerstand stoßen. Die ganze Situation ist wieder mal zum Zerreissen gespannt . . .
Unsere Mobilmachung geht ihren Weg und wird nun auch für die Welt sichtbar. Man glaubt, das sei eine Provokation für den Augenblick. In Prag bekommt man es mit der Angst zu tun. Man glaubt, ein Einmarsch stehe unmittelbar bevor. Benesch ordnet die allgemeine Mobilmachung an.
Dramatischster Augenblick des Tages. Nun rasen die Telephone! Die wilde Journaille faselt schon von Weltkrieg. Der Führer bleibt ganz ruhig und gelassen. Er faßt in einem Memorandum noch einmal unsere Forderungen präzise zusammen. Dann kommt Chamberlain abends gegen 18h zu einem Schlußbesuch. Der dehnt sich auf fast 3 Stunden aus.
Der Führer übergibt ihm sein Memorandum. Um die einzelnen Punkte geht noch ein erbitterter Kampf. Der spitzt sich soweit zu, daß Chamberlain plötzlich aufstehen und gehen will: er habe nun seine Pflicht getan, es sei aussichtslos und er wasche seine Hände in Unschuld. Aber auch diese kritische Minute wird überwunden . . .
Chamberlain identifiziert sich zwar nicht mit dem Memorandum, aber er übernimmt es, dieses an die Tschechen weiterzuleiten. Das ist auch schon was. Damit sind wir aus der Sache heraus. Die Tschechen haben das Wort - das letzte Wort vor dem dramatischen Ende. Prag lebt noch in einer vollkommenen Illusion. Man glaubt dort an französische, russische und gar englische Hilfe. Arme Idioten! . . .
26. September 1938
Gestern: so ein herrlicher Sonntag. Das sieht garnicht nach Krieg aus. Aber wer weiß. Der Duce (Benito Mussolini) hat noch eine Rede gehalten. Viel saftiger als die erste. "Zum Kampf bereit." . . . In London und Paris wird fieberhaft beraten. Das deutsche Memorandum ist in Prag überreicht. Dort muß nun gehandelt werden . . .
Lange mit dem Führer durch den Park spaziert. Er glaubt nicht, daß Benesch nachgeben wird. Aber dann trifft ihn ein furchtbares Strafgericht. Am 27./28. September ist unser Aufmarsch fertig. Der Führer hat dann 5 Tage Spielraum. Diese Termine hat er bereits am 28. Mai festgelegt. Und so, wie er voraussah, ist die Sache prompt gekommen. Der Führer ist ein divinatorisches Genie.
Dann aber kommt erst unsere Mobilmachung. Die geht so blitzschnell vor sich, daß die Welt ein Wunder daran erlebt. In 8-10 Tagen ist das alles fertig. Greifen wir die Tschechen von unserer Grenze aus an, dann meint der Führer dauert es 2-3 Wochen, greifen wir sie nach dem Einmarsch an, glaubt er, ist es in 8 Tagen erledigt. Die radikale Lösung ist doch die beste. Sonst werden wir die Sache nie los. Im übrigen ist unser Aufmarsch nun schon überall sichtbar . . .
27. September 1938
Gestern: ein Alarmtag. Dabei Sonne, wie mitten im Sommer. Aber der politische _(* Mussolini, Hitler, Daladier, ) _(Chamberlain (im Hintergrund). ) Himmel sieht sehr bewölkt aus. Prag hat abgelehnt. Aber wie ausdrücklich betont wird, noch nicht endgültig. Etwas faul! . . .
Zum Sportpalast. Eine tolle Stimmung . . . Der Führer redet großartig. Ein breit angelegter Situationsbericht. Friedlich gegen alle, fest und hart gegen Prag. Ein psychologisches Meisterstück. Das wird seinen Eindruck in der Welt nicht verfehlen. Die Massen rasen. Prag hat nun die Wahl: Krieg oder Frieden! . . .
Der Führer hat übrigens den Engländern Frist bis Mittwoch 14h gestellt. Bis dahin noch Gelegenheit zur Einkehr für Herrn Benesch. Wird er sie nützen? Wer das sagen könnte!
28. September 1938
Gestern: Chamberlain gibt eine Erklärung aufgrund der Führerrede heraus: England fühle sich jovenlandesalisch für die Einhaltung des von Prag angenommenen Planes verantwortlich. Aber wir dürfen keine Gewalt anwenden. Ein dummes Spiel mit Worten. London soll lieber auf Prag drücken, damit Herr Benesch nicht zum Widerstand gereizt wird. Der Führer sagt das auch jetzt offen zu (dem Chamberlain-Berater Sir Horace) Wilson, der mittags bei ihm ist. Er fragt ihn brüsk, ob England den Weltkrieg wolle. Da zuckt Wilson doch zurück.
Die am Sonntag in London abgegebene Antwort der Tschechen ist nun im Wortlaut da. Eine glatte Absage. Mit durchsichtigen, typischen Benesch-Argumenten. Aber wir kriegen diesen hinterhältigen Schurken doch. Wenn nicht so, dann mit Gewalt . . .
Der Führer . . . glaubt mit einer somnambulen Sicherheit an seine Mission . . . Ein großes Genie mitten unter uns. Er schildert Preußens Verfall unter Napoleon und seine glorreiche Wiederauferstehung. Man sieht daran, daß ihm alles klar ist und er genau weiß, was er will. Er richtet die Schwankenden immer wieder auf und klärt die Fronten täglich neu. Man muß ihm mit tiefer Gläubigkeit dienen . . .
29. September 1938
Nun treiben die Dinge dramatisch auf die Spitze. Die Bevölkerung ist von einem tiefen Ernst erfüllt. Man weiß jetzt, daß das Schlußrennen begonnen hat. Die Alarmstimmung in der Welt ist unbeschreiblich . . . Der Vorbeimarsch der motorisierten Division am Vorabend in Berlin hat überall tiefsten Eindruck hinterlassen . . .
Im Laufe des Morgens melden sich (der französische und britische Botschafter) Poncet und Henderson. Sie kommen mit neuen Vorschlägen: das Gebiet soll zu uns kommen. Räumung beginnt am 1. Oktober und endet am 10. Kein Einmarsch der Wehrmacht, sondern der Polizei. Dafür Druck auf Prag. Wir haben keinen Absprung zum Krieg . . . Man kann nicht evtl. einen Weltkrieg um Modalitäten führen. Ich spreche ausführlich mit (Feldmarschall Hermann)Göring darüber, der ganz meine Meinung teilt und Ribbentrop furchtbar anfaßt. Ich spreche dann mit dem Führer, der auch keinen Augenblick im Zweifel ist, daß hier noch eine Chance liegt.
Dann taucht bei ihm der Gedanke einer Viererkonferenz auf: mit Mussolini, Chamberlain und Daladier. In München. In einer Stunde sagt Mussolini schon zu. Es ergibt sich damit eine ganz neue Lage. Der Himmel beginnt sich etwas aufzulichten. Es bleibt uns wahrscheinlich die Möglichkeit: wir nehmen friedlich das sudetendeutsche Gebiet, die große Lösung bleibt noch offen, und wir rüsten weiter für künftige Fälle . . .
Nachmittags kommen dann auch die Zusagen von Daladier und Chamberlain. Also Vierertreffen in München. Ein riesiger Prestigezuwachs für uns . . .
30. September 1938
Gestern: eine fühlbare Entspannung geht durch die ganze Welt. Die Völker atmen auf, wie von einem Alpdruck befreit. Man hat das Bewußtsein, daß der Frieden noch einmal gerettet werden kann. Aber man soll nicht glauben, daß das auf unsere Kosten geschehen könnte . . .
Der Führer ist Mussolini bis Kufstein entgegengefahren, um ihm einen Überblick über das ganze Problem zu geben, damit beide bei den Besprechungen gleich liegen. Daladier und Chamberlain treffen dann auch in München ein. Die entscheidenden Beratungen beginnen . . .
Bis gegen Abend klärt sich die Lage. Auf folgender Basis etwa sucht man eine Einigung zu finden: ab 1. Oktober Einmarsch, und zwar von Militär, nicht von Polizei. In Etappen bis gegen 10. Oktober. Das Gebiet ist unversehrt zu übergeben. Zerstörungen müssen entschädigt werden. Die strittigen Gebiete, d.h. die auf unserer Karte schraffierten werden durch internationale Truppen besetzt. Dort findet eine Abstimmung noch vor Weihnachten statt. Eine Garantie übernehmen wir nicht. Lehnen die Tschechen ab, dann werden die Mächte ihr Desinteressement erklären.
Chamberlain und Daladier telephonieren mit ihren Kabinetten, um deren Zustimmung zu erbeten. Masaryk und (der tschechische Diplomat Adalbert) Mastny sind in München, um das Memorandum gleich in Empfang zu nehmen. Damit hätten wir dann, was wir im Augenblick bekommen können. Es würde somit die schwerste Kriegskrise unseres Regimes ein erträgliches Ende finden. Komplikationsmöglichkeiten gibt es natürlich noch die Menge. Aber es scheint, als sei der Abgrund hinter uns.
Man muß nun die Entwicklung der nächsten Tage abwarten. Wenn jetzt die Tschechen ablehnten, dann wäre wohl die große Möglichkeit geboten. Aber diesen Gefallen wird uns Prag wahrscheinlich nicht tuen.
Mitten in der Nacht kommt dann der endgültige Beschluß . . . Wir haben also im Wesentlichen alles erreicht, was wir nach dem kleinen Plan wollten. Der große Plan ist im Augenblick, und zwar unter den obwaltenden Umständen noch nicht zu realisieren . . .
1. Oktober 1938
Gestern: die öffentliche Weltmeinung ist wie umgedreht. Alles atmet auf, daß die große, gefährliche Krise vorbei ist. Wir sind alle auf einem dünnen Drahtseil über einen schwindelnden Abgrund gegangen . . . Das ganze Ausland schwimmt in Wonne. Das Wort "Friede!" ist auf aller Lippen. Die Welt ist von einer rasenden Freude erfüllt. Deutschlands Prestige ist ungeheuerlich gewachsen. Jetzt sind wir wirklich wieder eine Weltmacht. Nun heißt es: rüsten, rüsten, rüsten . . .
11. März 1939
Gestern: Kann man die Frage, die wir im Oktober (1938) nur halb lösen konnten, ganz lösen? Mittags um 12h läßt mich der Führer kommen. Er ist schon ganz in Aktion. Gleich danach kommen Ribbentrop und Keitel (Chef des Oberkommandos der Wehrmacht). Beschluß: am Mittwoch, dem 15. März wird einmarschiert und das ganze tschechoslowakische Zwittergebilde zerschlagen. Auch Prag muß dann in unseren Besitz kommen. Bis zu den Karpathen muß unsere Grenze gehen. Die Iden des März . . .
Der Führer juchzt vor Freude. Diese Partie ist todsicher . . .
12. März 1939
Mittags beim Führer. Wir sprechen die Lage durch. Alles ist noch ziemlich verworren. Zusammenstöße werden provoziert werden. Sind Deutsche dabei, dann schlagen wir Mordskrach. Sonst vorläufig noch halbe Tour. Am Montag und Dienstag dann Großklamauk. Mittwoch kann''s dann losgehen . . .
13. März 1939
Die Tschechen antworten auf keine Provokation. Sie sind anscheinend gewarnt. In der ganzen Auslandspresse zwar großes Rätselraten, aber keinerlei Klarheit. Alles tappt im Dunkeln. Dabei geht unser militärischer Aufmarsch in ziemlicher Offenheit weiter. Man müßte auf der Gegenseite eigentlich etwas merken . . .
Bis 3h nachts außenpolitische Debatte beim Führer. Auch Ribbentrop dabei. Er vertritt den Standpunkt, daß es mit England später zum Konflikt kommen muß. Der Führer bereitet sich darauf vor, aber er hält ihn nicht für unvermeidlich. Ribbentrop hat da gar keine taktische Biegsamkeit. Er ist intransigent und darum nicht sehr richtig gelegen. Aber der Führer korrigiert ihn schon. Es wird heiß gestritten. Die Tschechenfrage ergibt keine neue Wendung. Also etwas Schlaf!
14. März 1939
Die Wehrmacht schafft uns Ordnung, aber jeder Widerstand wird blutig niedergebrochen. Es wird wohl kaum irgendwo dazukommen . . .
London und Paris lassen sehr deutlich ihr gänzliches Desinteressement an der tschechischen Frage erklären. Wir sind fast schon außerhalb jeder Gefahrenzone . . .
Abends beim Führer. Er hat (den slowakischen Ministerpräsidenten Josef) Tiso empfangen. Ihm klar gemacht, daß die historische Stunde der Slowaken gekommen ist. Machen sie nichts, dann werden sie von Ungarn geschluckt. Er soll es sich noch überlegen und nach Preßburg zurück. Keine Revolutionen. Da muß alles verfassungsgemäß vor sich gehen . . .
Der Führer entwickelt noch einmal seinen Plan. In fünf Tagen ist die ganze Aktion zu Ende. Am ersten Tag sind wir schon in Prag. Unsere Flugzeuge bereits nach zwei Stunden. Ich glaube, es geht ohne nennenswertes Blutvergießen und dann will der Führer eine lange politische Ruhepause einschalten. Das walte Gott! Ich glaub''s zwar nicht, aber es ist zu schön . . .
15. März 1939
Tiso in Preßburg angekommen. Bearbeitet den Landtag: Ergebnis, Unabhängigkeitserklärung von Prag. Aber nicht, wie zuerst gemeldet, Hilfsgesuch an Berlin. Sie wollen keine deutschen Truppen. Unterdes rückt Ungarn bereits in einige Grenzdörfer ein. Wir haben aber noch ein paar Eisen im Feuer . . .
Wie ich vorausgesagt hatte, melden sich mittags die Tschechen an. (Der tschechoslowakische Staatspräsident Emil) Hacha bittet um eine Unterredung. Darauf wird nun alles konzentriert. Er wird in Prag im Sonderzug abgeholt. Unterdessen lassen wir schon Truppen in tschechisches Gebiet einrücken. Damit Hacha merkt, was los ist.
Der Beginn des Generaleinmarsches wird auf Mittwoch früh 6h angesetzt. Um 10h wollen wir in Prag sein. Gegen 7h werde ich die Proklamation des Führers im Rundfunk verlesen.
Der Führer ist ganz ruhig und überglücklich. Er will nun nach der glücklichen Beendigung dieser Aktion eine längere Ruhepause einlegen. Das ist auch nötig. Allmählich machen die Nerven nicht mehr mit. Wir ordnen an, daß der Name Tschechoslowakei nicht mehr gebraucht wird. Wir reden nun auch von Böhmen und Mähren als urdeutschen Gebieten.
Ich lasse unsere geschichtlichen Ansprüche auf diese Gebiete im einzelnen darlegen und fixieren. Das muß alles seine Ordnung haben . . . Der Führer gespannte Energie. Hacha und (der tschechoslowakische Außenminister Frantisek) Chvalkovsky kommen in Berlin an. Der Führer läßt sie bis Mitternacht warten und langsam und allmählich zermürben. So hat man es mit uns in Versailles (1919) gemacht. Es sind das die alten bewährten Methoden der politischen Taktik. Die Verhandlungen werden mit zäher Erbitterung geführt. Hacha fällt einmal in Ohnmacht um, dann Kapitulation auf der ganzen Linie. Sie nehmen mehr an, als wir überhaupt für möglich gehalten hätten. Und ohne Bedingungen. Befehl an ihre eigenen Truppen, keinen Widerstand zu leisten . . .
16. März 1939
Der Einmarsch vollzieht sich reibungslos. Nirgendwo sind Zwischenfälle zu verzeichnen. Die Tschechen nehmen die Neuordnung der Dinge ruhig und gefaßt entgegen. Es ist so für alle das Beste . . .
Die Operation ist gelungen. Aus Paris und London sind keinerlei Reaktionen zu verzeichnen. Auf dem Balkan ist unser Prestigezuwachs ungeheuerlich.
Abends kommt der Führer in Prag an und nimmt Wohnung auf dem Hradschin. Das klingt fast wie ein Märchen und ist doch Wahrheit. Ganze volle, beglückende Wahrheit . . .
* Hitler präsentiert dem britischen Premier eine Landkarte von Mitteleuropa, in die er den neuen Grenzverlauf zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei eingezeichnet hat. * Mussolini, Hitler, Daladier, Chamberlain (im Hintergrund).