Spanien kämpft gegen den Griechenland-Fluch
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Griechenland ist hoffnungslos verschuldet. Seine Krise kann die EU zerreißen. Während Deutschland, Frankreich und die anderen Länder noch um eine Lösung ringen, blicken sie schon besorgt nach Spanien. Dort versucht Premierminister Zapatero, den Griechenland-Fluch zu bekämpfen
MADRD. Er sitzt mitten in einem Saal voller Menschen, auf einer Bühne mit einer Handvoll Kollegen, und doch ist es, als sei er durch eine unsichtbare Hülle von ihnen abgekapselt. Die anderen unterhalten sich in perfektem Englisch. Er spricht Spanisch, und die anderen verstehen ihn nicht, denn wegen technischer Probleme hakt es mit der Übersetzung. Verärgert zieht José Luis Rodríguez Zapatero seine dachförmigen Augenbrauen hoch. Es läuft nicht gut hier. Zu allem Überfluss hat man ihn auch noch zwischen den Griechen und den Letten gesetzt. Ausgerechnet. Nicht, dass er etwas gegen Georgios Papandreou oder Valdis Zatlers hätte. Aber diese Sitzordnung ist ein Problem.
Drei Männer, ein Bild mit unschönem Symbolgehalt. Papandreou und Zatlers sind die Regierungschefs von Staaten, die kurz vor der Pleite stehen oder standen. Es sieht irgendwie nicht gut aus, wenn der Ministerpräsident Spaniens in ihrer Mitte sitzt. Spanien, eben noch eine der stärksten Wirtschaftsnationen der EU und scheinbar Erfolgsmodell. Nun in einer Reihe mit Griechenland und Lettland.
Das Weltwirtschaftsforum in Davos liegt inzwischen ein paar Wochen zurück. Doch es wird immer klarer, dass die kleine Szene mit Zapatero eine tiefere Wahrheit offenbart. Spanien ist unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Aus einem Land, dessen Wirtschaft ein Jahrzehnt lang um durchschnittlich 2,8 Prozent wuchs, um fast das Doppelte des EU-Durchschnitts, ist ein Problemfall geworden.
Besser als Italien? Der schöne Traum ist ausgeträumt
Ein auf Pump finanzierter Immobilienboom, "ein wesentlicher Grund für jahrelanges Wirtschaftswachstum, ist zu Ende. Im vergangenen Jahr tat sich in Zapateros Staatshaushalt ein Riesenloch auf: elf Prozent minus. Noch vor etwas mehr als einem Jahr träumte der Ministerpräsident von Vollbeschäftigung, er sagte, sein Land werde bald Italien an Wirtschaftskraft übertreffen. Heute stehen vier Millionen vielfach ungelernte Arbeiter auf der Straße, die Arbeitslosenquote liegt bei 19 Prozent, der EU-Durchschnitt ist etwa die Hälfte davon.
Die Deutschen, Franzosen oder Italiener betrachten all das mit Sorge. Sie wissen noch nicht einmal, wie die EU damit umgehen soll, dass Griechenland derart hoffnungslos verschuldet ist, dass dem gesamten Staatenbund und seiner gemeinsamen Währung, dem Euro, im schlimmsten Fall sogar das Ende droht. Aber, was wenn der nächste Dominostein fällt? Und was, wenn es Spanien ist?
Seit Wochen müht sich Zapatero, genau diese Furcht zu zerstreuen. Spanien sei ein "ernsthaftes und pflichtbewusstes Land. Unsere Staatsschuld liegt zwanzig Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt." Man werde das Haushaltsdefizit bis 2013 auf unter drei Prozent senken.
Kann man ihm glauben?
"Es ist alles katastrophal", hatte Antonio schon am Telefon gesagt.
Nun sitzt er, ein freundlicher Herr Ende fünfzig, mit gepflegtem dunkelgrauem Schopf in einem grauen Büro in einem grauen Madrider Industrieviertel. Zu einem Treffen ist er nur bereit, wenn weder sein voller Name noch der seiner Firma genannt wird. Er gehört zur Madrider Oberschicht. Antonio ist stolzer Bauunternehmer, besser gesagt: Er war es.
Sein Großvater und sein Vater waren Bau- oder Immobilienunternehmer und wurden reich. Vor etwa 25 Jahren gründete er eigene Unternehmen. Auch er wurde reich. In seinem Sitzungssaal hängt ein großes Gemälde. Es zeigt eine schnurgerade graue Straße, die durch ein grauschwarzes Meer führt, einen wilden Himmel und darunter drei Blöcke: Hochhäuser, ähnlich fantasielos wie alle jene, mit denen Antonio und Firmen wie seine in den vergangenen zehn Jahren die Küsten und Vorstädte Spaniens vollgepflastert haben.
Von den 14 Mitarbeitern seiner Bauträgerfirma sind Antonio vier geblieben, in seinem Bauunternehmen keiner. Schuld, so sieht er es, sind vor allem die anderen. Er klagt über die vielen Leute, die ins Immobiliengeschäft eingestiegen sind, "die keine Ahnung hatten. Jetzt sind 1,4 Millionen unverkaufte Wohnungen auf dem Markt." Der Preis für das Bauland sei ständig gestiegen, also seien die Preise für die Wohnungen ständig gestiegen. Zudem hätten viele Spanier Wohnungen gekauft, um sie gleich mit hohem Gewinn wieder zu verkaufen. Das Zocken habe die Preise verdorben.
Dass das ganze Geschäft eine riskante Wette auf ewiges Wachstum war, sagt Antonio nicht. Der Bauboom war auf Pump finanziert. Die Branche und das ganze Land haben gut von dieser Illusion gelebt. Jetzt wissen sie nicht mehr, wer ihre Schulden bezahlen soll. Die Menschen kaufen weniger, die gesamte Wirtschaft hat sich mit dem Krisenvirus infiziert.
Nun wird nichts mehr gebaut, weil nichts mehr verkauft wird. Viele Menschen, die auf ihre Häuser angezahlt haben, kommen nicht zum Notar, um den Kaufvertrag zu unterschreiben. Ihre Anzahlungen sind futsch. Doch sie haben keine Wahl, denn sie haben nichts mehr.
Zwanzig Prozent, sagt Antonio, sei er mit seinen Preisen runtergegangen. Mehr gehe nicht. Er hat Schulden bei den Zulieferern und nur eine Chance. "Die Banken überzeugen, dass sie das von ihnen zu 70 Prozent finanzierte Bauland für die gleichen 70 Prozent abkaufen und die restlichen Kredite refinanzieren." Das tun die Banken tatsächlich, denn es erscheint ihnen als das kleinere Übel. Auch sie verlieren Geld. Die 47 Sparkassen des Landes etwa mussten im vergangenen Jahr die Hälfte ihrer Gewinne für faule Kredite zurückstellen. Auch die Banken müssen also hoffen, dass die Verkaufsmaschine doch wieder in Gang kommt.
"Wenn es nicht innerhalb von ein, zwei Jahren eine Lösung gibt, überlebt keine Firma", sagt Antonio. Die Kredite sind nicht mehr billig, die Spanier haben hohe Schulden, und während Unternehmer wie er mit Hilfe der Banken noch hoffen dürfen, zahlen andere längst die Zeche. Zwei Millionen Menschen haben ihre Arbeit verloren, vor allem jene mit befristeten Verträgen.
Mitte dieses Jahres, sagte Premier Zapatero vergangene Woche, werde die Wirtschaft sich so weit erholt haben, dass wieder Arbeitsplätze entstehen. Doch in einem ziemlich tristen Betonklotz in jovenlandesatalaz, bei Madrid, sitzt ein Mann in Polohemd und dunkelblauem Wollpullover, der nicht recht glauben mag, dass schon bald alles wieder gut werden soll.
"Etwa die Hälfte der Arbeitslosen, vielleicht sogar noch mehr, wird nicht wieder in ihr ursprüngliches Metier zurückkönnen", sagt Miguel Barrio. Er ist Direktor des Fortbildungszentrums. Über die Jahrzehnte hat sich das Zentrum vor allem in Wärme- und Kühltechnologien spezialisiert. Das Land hat sich die Weiterbildung einiges kosten lassen, Barrio bekam immer mehr Fördergelder, er knüpfte Kontakte, er wurde zu einer wichtigen Adresse der Hoffnung. Im vergangenen Jahr kamen 100000 Arbeitslose nach Madrid, um sich fortbilden zu lassen. Allein zu Barrio kamen über 1000 Ingenieure. Sie waren sehr gefragt, als noch Häuser gebaut wurden.
Doch nun zweifeln die Ingenieure, ob es ihnen überhaupt noch hilft, sich schulen zu lassen.
"Das hängt von politischen Entscheidungen ab", sagt Barrio.
Seine Waffe gegen die Zweifel sind konkrete Zahlen, Stichtage
Der frühere Arbeitsminister Jesús Caldera soll die Stiftung von Zapateros Sozialisten zum Think-Tank aufbauen. Die Zukunft, wie Caldera sie sieht: bis zu 200000 neue Arbeitsplätze, jedes Jahr bis 2025. Arbeitsplätze im Bau, Tourismus und im tras*portwesen, den wichtigsten Industrien. Die müssten bloß nachhaltiger werden, findet Caldera. Außerdem: erneuerbare Energien, Ökoindustrien, Informationstechnologien, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrtindustrie. In einigen dieser Industrien sind spanische Unternehmen längst Weltspitze.
Das Land hat sehr viel Geld von der EU bekommen und es vermutlich so gut eingesetzt wie kein anderes. Spanische Unternehmen bauen inzwischen in ganz Europa und den USA Autobahnen und Kraftwerke. Zudem ist Spanien nicht mehr so sehr von Energie aus dem Ausland abhängig wie früher. Die Regierung hat mit Einspeisevergütungen die Hersteller von Sonnen- und Windenergie stark gefördert. Iberdrola und Acciona sind heute die größten Produzenten von Windenergie weltweit, sie kaufen Energieunternehmen und bauen Windparks in Großbritannien oder den USA. Mit Hilfe des Kreditbooms und einer strengen Bankenaufsicht sind einige sehr stabile Banken entstanden, allen voran BBVA und Santander, die die Krise der Konkurrenz genutzt und ihr Geschäft weltweit stark ausgebaut haben. Sie versorgen die heimische Wirtschaft mit Geld.
So soll es weitergehen. Das ist das Bild, das Zapatero von Spanien zeichnet.
"Die Regierung geht davon aus, dass der massive Angebotsüberhang im Bausektor schon in diesem Jahr abgebaut wird, das ist sehr optimistisch", kommentiert die Ratingagentur Moody's. Erst wenn die überschüssigen Häuser und Wohnungen verkauft seien, sei ein Wachstum von zwei bis zweieinhalb Prozent drin. Was aber, wenn das nicht gelingt? Wenn Bauunternehmen nicht durchhalten und die Banken viele, viele Kredite abschreiben müssen? Es ist noch zu früh, um zu wissen, ob sie mit in den Abgrund gerissen würden. Die nervösen Märkte haben sich gerade etwas beruhigt. Doch das kann sich schnell ändern. Wenn es zum Beispiel Anzeichen gäbe, dass Spanien bis 2013 die angekündigten 50 Milliarden Euro nicht einsparen wird.
Zapateros Waffe gegen den Zweifel sind Zahlen, Fristen, überschaubare Zeiträume. Das soll zeigen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Er muss es fertigbringen, Wachstum zu erzeugen, zu investieren und trotzdem zu sparen.
Am Mittwoch vergangener Woche im Kongress. Davos spielt keine Rolle mehr. Zapatero hat seine Selbstsicherheit wiedergefunden. Er sagt, er werde dieses Jahr fünf Milliarden Euro weniger ausgeben als im Vorjahr. Die Ausgaben für Infrastruktur, Bildung und Forschung jedoch blieben unverändert. Wie auch die Spezialfonds für Beschäftigungspolitik und für Projekte aus dem Bereich Energieeffizienz oder Wassermanagement.
Im Bundeskanzleramt in Berlin, im Élysée-Plast in Paris und im Turm der EZB in der Frankfurter Innenstadt hören sie derzeit sehr genau hin, wenn Zapatero spricht. Er ist eine Hoffnung oder eine Gefahr, je nachdem.
Währungen: Spanien kämpft gegen den Griechenland-Fluch - Politik - International - Handelsblatt.com
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Griechenland ist hoffnungslos verschuldet. Seine Krise kann die EU zerreißen. Während Deutschland, Frankreich und die anderen Länder noch um eine Lösung ringen, blicken sie schon besorgt nach Spanien. Dort versucht Premierminister Zapatero, den Griechenland-Fluch zu bekämpfen
MADRD. Er sitzt mitten in einem Saal voller Menschen, auf einer Bühne mit einer Handvoll Kollegen, und doch ist es, als sei er durch eine unsichtbare Hülle von ihnen abgekapselt. Die anderen unterhalten sich in perfektem Englisch. Er spricht Spanisch, und die anderen verstehen ihn nicht, denn wegen technischer Probleme hakt es mit der Übersetzung. Verärgert zieht José Luis Rodríguez Zapatero seine dachförmigen Augenbrauen hoch. Es läuft nicht gut hier. Zu allem Überfluss hat man ihn auch noch zwischen den Griechen und den Letten gesetzt. Ausgerechnet. Nicht, dass er etwas gegen Georgios Papandreou oder Valdis Zatlers hätte. Aber diese Sitzordnung ist ein Problem.
Drei Männer, ein Bild mit unschönem Symbolgehalt. Papandreou und Zatlers sind die Regierungschefs von Staaten, die kurz vor der Pleite stehen oder standen. Es sieht irgendwie nicht gut aus, wenn der Ministerpräsident Spaniens in ihrer Mitte sitzt. Spanien, eben noch eine der stärksten Wirtschaftsnationen der EU und scheinbar Erfolgsmodell. Nun in einer Reihe mit Griechenland und Lettland.
Das Weltwirtschaftsforum in Davos liegt inzwischen ein paar Wochen zurück. Doch es wird immer klarer, dass die kleine Szene mit Zapatero eine tiefere Wahrheit offenbart. Spanien ist unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Aus einem Land, dessen Wirtschaft ein Jahrzehnt lang um durchschnittlich 2,8 Prozent wuchs, um fast das Doppelte des EU-Durchschnitts, ist ein Problemfall geworden.
Besser als Italien? Der schöne Traum ist ausgeträumt
Ein auf Pump finanzierter Immobilienboom, "ein wesentlicher Grund für jahrelanges Wirtschaftswachstum, ist zu Ende. Im vergangenen Jahr tat sich in Zapateros Staatshaushalt ein Riesenloch auf: elf Prozent minus. Noch vor etwas mehr als einem Jahr träumte der Ministerpräsident von Vollbeschäftigung, er sagte, sein Land werde bald Italien an Wirtschaftskraft übertreffen. Heute stehen vier Millionen vielfach ungelernte Arbeiter auf der Straße, die Arbeitslosenquote liegt bei 19 Prozent, der EU-Durchschnitt ist etwa die Hälfte davon.
Die Deutschen, Franzosen oder Italiener betrachten all das mit Sorge. Sie wissen noch nicht einmal, wie die EU damit umgehen soll, dass Griechenland derart hoffnungslos verschuldet ist, dass dem gesamten Staatenbund und seiner gemeinsamen Währung, dem Euro, im schlimmsten Fall sogar das Ende droht. Aber, was wenn der nächste Dominostein fällt? Und was, wenn es Spanien ist?
Seit Wochen müht sich Zapatero, genau diese Furcht zu zerstreuen. Spanien sei ein "ernsthaftes und pflichtbewusstes Land. Unsere Staatsschuld liegt zwanzig Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt." Man werde das Haushaltsdefizit bis 2013 auf unter drei Prozent senken.
Kann man ihm glauben?
"Es ist alles katastrophal", hatte Antonio schon am Telefon gesagt.
Nun sitzt er, ein freundlicher Herr Ende fünfzig, mit gepflegtem dunkelgrauem Schopf in einem grauen Büro in einem grauen Madrider Industrieviertel. Zu einem Treffen ist er nur bereit, wenn weder sein voller Name noch der seiner Firma genannt wird. Er gehört zur Madrider Oberschicht. Antonio ist stolzer Bauunternehmer, besser gesagt: Er war es.
Sein Großvater und sein Vater waren Bau- oder Immobilienunternehmer und wurden reich. Vor etwa 25 Jahren gründete er eigene Unternehmen. Auch er wurde reich. In seinem Sitzungssaal hängt ein großes Gemälde. Es zeigt eine schnurgerade graue Straße, die durch ein grauschwarzes Meer führt, einen wilden Himmel und darunter drei Blöcke: Hochhäuser, ähnlich fantasielos wie alle jene, mit denen Antonio und Firmen wie seine in den vergangenen zehn Jahren die Küsten und Vorstädte Spaniens vollgepflastert haben.
Von den 14 Mitarbeitern seiner Bauträgerfirma sind Antonio vier geblieben, in seinem Bauunternehmen keiner. Schuld, so sieht er es, sind vor allem die anderen. Er klagt über die vielen Leute, die ins Immobiliengeschäft eingestiegen sind, "die keine Ahnung hatten. Jetzt sind 1,4 Millionen unverkaufte Wohnungen auf dem Markt." Der Preis für das Bauland sei ständig gestiegen, also seien die Preise für die Wohnungen ständig gestiegen. Zudem hätten viele Spanier Wohnungen gekauft, um sie gleich mit hohem Gewinn wieder zu verkaufen. Das Zocken habe die Preise verdorben.
Dass das ganze Geschäft eine riskante Wette auf ewiges Wachstum war, sagt Antonio nicht. Der Bauboom war auf Pump finanziert. Die Branche und das ganze Land haben gut von dieser Illusion gelebt. Jetzt wissen sie nicht mehr, wer ihre Schulden bezahlen soll. Die Menschen kaufen weniger, die gesamte Wirtschaft hat sich mit dem Krisenvirus infiziert.
Nun wird nichts mehr gebaut, weil nichts mehr verkauft wird. Viele Menschen, die auf ihre Häuser angezahlt haben, kommen nicht zum Notar, um den Kaufvertrag zu unterschreiben. Ihre Anzahlungen sind futsch. Doch sie haben keine Wahl, denn sie haben nichts mehr.
Zwanzig Prozent, sagt Antonio, sei er mit seinen Preisen runtergegangen. Mehr gehe nicht. Er hat Schulden bei den Zulieferern und nur eine Chance. "Die Banken überzeugen, dass sie das von ihnen zu 70 Prozent finanzierte Bauland für die gleichen 70 Prozent abkaufen und die restlichen Kredite refinanzieren." Das tun die Banken tatsächlich, denn es erscheint ihnen als das kleinere Übel. Auch sie verlieren Geld. Die 47 Sparkassen des Landes etwa mussten im vergangenen Jahr die Hälfte ihrer Gewinne für faule Kredite zurückstellen. Auch die Banken müssen also hoffen, dass die Verkaufsmaschine doch wieder in Gang kommt.
"Wenn es nicht innerhalb von ein, zwei Jahren eine Lösung gibt, überlebt keine Firma", sagt Antonio. Die Kredite sind nicht mehr billig, die Spanier haben hohe Schulden, und während Unternehmer wie er mit Hilfe der Banken noch hoffen dürfen, zahlen andere längst die Zeche. Zwei Millionen Menschen haben ihre Arbeit verloren, vor allem jene mit befristeten Verträgen.
Mitte dieses Jahres, sagte Premier Zapatero vergangene Woche, werde die Wirtschaft sich so weit erholt haben, dass wieder Arbeitsplätze entstehen. Doch in einem ziemlich tristen Betonklotz in jovenlandesatalaz, bei Madrid, sitzt ein Mann in Polohemd und dunkelblauem Wollpullover, der nicht recht glauben mag, dass schon bald alles wieder gut werden soll.
"Etwa die Hälfte der Arbeitslosen, vielleicht sogar noch mehr, wird nicht wieder in ihr ursprüngliches Metier zurückkönnen", sagt Miguel Barrio. Er ist Direktor des Fortbildungszentrums. Über die Jahrzehnte hat sich das Zentrum vor allem in Wärme- und Kühltechnologien spezialisiert. Das Land hat sich die Weiterbildung einiges kosten lassen, Barrio bekam immer mehr Fördergelder, er knüpfte Kontakte, er wurde zu einer wichtigen Adresse der Hoffnung. Im vergangenen Jahr kamen 100000 Arbeitslose nach Madrid, um sich fortbilden zu lassen. Allein zu Barrio kamen über 1000 Ingenieure. Sie waren sehr gefragt, als noch Häuser gebaut wurden.
Doch nun zweifeln die Ingenieure, ob es ihnen überhaupt noch hilft, sich schulen zu lassen.
"Das hängt von politischen Entscheidungen ab", sagt Barrio.
Seine Waffe gegen die Zweifel sind konkrete Zahlen, Stichtage
Der frühere Arbeitsminister Jesús Caldera soll die Stiftung von Zapateros Sozialisten zum Think-Tank aufbauen. Die Zukunft, wie Caldera sie sieht: bis zu 200000 neue Arbeitsplätze, jedes Jahr bis 2025. Arbeitsplätze im Bau, Tourismus und im tras*portwesen, den wichtigsten Industrien. Die müssten bloß nachhaltiger werden, findet Caldera. Außerdem: erneuerbare Energien, Ökoindustrien, Informationstechnologien, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrtindustrie. In einigen dieser Industrien sind spanische Unternehmen längst Weltspitze.
Das Land hat sehr viel Geld von der EU bekommen und es vermutlich so gut eingesetzt wie kein anderes. Spanische Unternehmen bauen inzwischen in ganz Europa und den USA Autobahnen und Kraftwerke. Zudem ist Spanien nicht mehr so sehr von Energie aus dem Ausland abhängig wie früher. Die Regierung hat mit Einspeisevergütungen die Hersteller von Sonnen- und Windenergie stark gefördert. Iberdrola und Acciona sind heute die größten Produzenten von Windenergie weltweit, sie kaufen Energieunternehmen und bauen Windparks in Großbritannien oder den USA. Mit Hilfe des Kreditbooms und einer strengen Bankenaufsicht sind einige sehr stabile Banken entstanden, allen voran BBVA und Santander, die die Krise der Konkurrenz genutzt und ihr Geschäft weltweit stark ausgebaut haben. Sie versorgen die heimische Wirtschaft mit Geld.
So soll es weitergehen. Das ist das Bild, das Zapatero von Spanien zeichnet.
"Die Regierung geht davon aus, dass der massive Angebotsüberhang im Bausektor schon in diesem Jahr abgebaut wird, das ist sehr optimistisch", kommentiert die Ratingagentur Moody's. Erst wenn die überschüssigen Häuser und Wohnungen verkauft seien, sei ein Wachstum von zwei bis zweieinhalb Prozent drin. Was aber, wenn das nicht gelingt? Wenn Bauunternehmen nicht durchhalten und die Banken viele, viele Kredite abschreiben müssen? Es ist noch zu früh, um zu wissen, ob sie mit in den Abgrund gerissen würden. Die nervösen Märkte haben sich gerade etwas beruhigt. Doch das kann sich schnell ändern. Wenn es zum Beispiel Anzeichen gäbe, dass Spanien bis 2013 die angekündigten 50 Milliarden Euro nicht einsparen wird.
Zapateros Waffe gegen den Zweifel sind Zahlen, Fristen, überschaubare Zeiträume. Das soll zeigen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Er muss es fertigbringen, Wachstum zu erzeugen, zu investieren und trotzdem zu sparen.
Am Mittwoch vergangener Woche im Kongress. Davos spielt keine Rolle mehr. Zapatero hat seine Selbstsicherheit wiedergefunden. Er sagt, er werde dieses Jahr fünf Milliarden Euro weniger ausgeben als im Vorjahr. Die Ausgaben für Infrastruktur, Bildung und Forschung jedoch blieben unverändert. Wie auch die Spezialfonds für Beschäftigungspolitik und für Projekte aus dem Bereich Energieeffizienz oder Wassermanagement.
Im Bundeskanzleramt in Berlin, im Élysée-Plast in Paris und im Turm der EZB in der Frankfurter Innenstadt hören sie derzeit sehr genau hin, wenn Zapatero spricht. Er ist eine Hoffnung oder eine Gefahr, je nachdem.
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